Aus meinem Gartentagebuch

Jeden Monat, wenn es meine Zeit zuläßt, können Sie hier etwas aus meinem jetztigen und meinem verflossenen Garten lesen. (Jaja, verflossen, denn das hat viel mit Liebe zu tun).

Wenn Sie Lust haben, begleiten sie mich. Lesen Sie sich vorwärts oder rückwärts durch das Jahr. Zum Vorwärtslesen skrollen - rollen Sie bis unten auf die Seite. Zum Rückwärtslesen fangen Sie hier oben an und  arbeiten Sie sich tiefer in die Vergangenheit vor. 

 

Sumpfdotterblume (Caltha palustris)

 9. April

Die ersten Schwalben sind angekommen. Sie statten dem Himmel über meinem Garten einen kurzen Besuch ab. Wenn eine letzte Bestätigung für den Frühling nötig wäre, dann bringen die Schwalben sie. Weil die Sonne scheint, mache ich Photos von den Frühlingsblumen, auftreibenden Knospen und den jungen Pferden. Vorsichtig nähere ich mich dem Teich und hocke mich hinter dem Zaun an die Böschung. Hier mache ich die Entdeckung des Tages: Im Teich ”knurren” nicht die Krötenweibchen sondern die Grasfrösche. Munter tummeln sie sich zwischen den Wasserpflanzen und versuchen auf alles hinaufzukrabbeln, was eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Weibchen hat. Diese Wahllosigkeit erhöht im Gewimmel die Trefferquote, auch wenn häufig zwei Männchen enttäuscht von einander lassen müssen.

Am späten Nachmittag fahre ich mit dem Rad ins Dorf. Die Knospen der Pappeln verströmen ihren herben Duft. Die ersten Sumpfdotterblumen blühen an einer geschützten Stelle und auf einer Wiese stehen Unmengen kleiner Gelbsterne, ein Zwiebelgewächs mit grünlichgelben Lilienblüten. Und der erste Storch schreitet durch das Gras, beobachtet von zwei Graugänsen.

 

Elfencrocus (Crocustommasinianus- eine Art die sich gut vermehrt. Man darf nur nicht zu früh den Rasen mähen.

 28. März 2017

In diesem Jahr zieht der Frühling zeitig ins Land. Einen richtig harten Winter hatten wir ja nicht. Letztes Jahr um diese Zeit war ich noch bei meinem Bruder in Kanada. Jeden Tag Sonnenschein und scharfer Frost in der Nacht. Ich habe versucht, seinen Garten auf Vordermann zu bringen. Nach einem Sturm lagen die Beete, die Terrasse, und der Garten voller Blätter und Bergen von Zweigen. Er hat dort nämlich mehrere große Pappeln stehen (Populus tremuloides). Und die lassen Zweige fallen, sowie wie wir Haare. Vor dem Haus in einem Laubhaufen habe ich dann eine Winterkolonie von Marienkäfern aufgeweckt - Hunderte. Die heimischen Marienkäfer sind bei uns selten geworden. Dafür überwintern asiatische Marienkäfer in den Wänden des Rendsburger Rathauses und lieben es auf der falschen Seite auszusteigen. Und das in lästiger Anzahl.

 

Ostern  - in Saskatoon, zum Glück dekoriert dort nicht jeder seinen Garten so.
Osterschmuck ist eher die Ausnahme

Aber zurück zur Gegenwart. Als erstes erwachte in diesem Jahr unserem Garten das Leben in Kompost. Fruchtfliegen und Regenwürmer tummeln sich dort in großer Zahl und gestern traf ich ein große Egelschnecke. Ich habe sie freundlich begrüßt. Sie sind ja große Schädlingsvertilger. Und machen ihrem Zweitnamen „Tigerschnecke“ alle Ehre. Die Elfenkrokusse sind seit gut zwei Wochen verblüht. Sie haben sich im ganzen Garten verbreitet und ihr zarter Duft hing bei Sonnenschein in der Luft. Ich habe versucht Tonaufnahmen von den summenden Bienen zu machen, die sich daran labten. Allein dafür fehlt mir die professionelle Technik.

Jetzt nicken die Narzissen im Wind, Schneeglanz, hellblaue Puschkinianas und Scilla blühen in Beeten und zwischen den Pflasterfugen. Schönen Dank an die Ameisen, die die Samen wegschleppen und unseren Garten auf ihre besondere Weise bewirtschaften. Unter einigen Hecken sprießen schon kleine blaue Anemonen. Alle diese kleinen Schönheiten verbreiten sich gut in unserem Garten mit sandigem, leicht kalkhaltigem Boden. Schneeglöckchen, Winterlinge, Lerchensporn und Märzenbecher, die es gerne etwas feuchter mögen, mickern hier hingegen herum. Aber man kann ja nicht alles haben.

(Für die Gartenexperten hier die botanischen Namen , Crocus tommasianus, Chonodoxa forbesii - Schneeglanz, Puschkiniana scilloides, Scilla sibirica, Anemone blanda)

 

Dezember - Sonnenaufgang über dem Wittensee

25. November

Es riecht nach Frost. Am frühen Morgen lasse ich die Oskarkatze hinaus. Kälte strömt in die Küche. Oben am Hang steht düster der Wald, hütet die verfallenen Schützengräben. In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Neujahr scheinen da oben die Toten umzugehen. Mein Blick gleitet weiter zur Pferdekoppel: Grünes Gras mit feinsten Glassplittern bestäubt. In zwei Stunden wird der Rauhreif in den spärlichen Sonnenstrahlen geschmolzen sein.

Es wird Zeit, die Duftgeranien ins Haus zu holen, die Töpfe mit Rosmarin, Lorbeer, Feige und Erdbeerbäumchen vertragen schon ein paar Frostgrade. Die letzten Blumenzwiebeln müssen in die Erde, die letzten Laubhaufen gilt es zusammenzuharken. Ich warte noch auf die Erlen. Nur zögernd geben sie ihre grünen Blätter her.

Schneeball - Viburnus opulus

1. Oktober

 Der Herbst hat uns noch ein sonniges Wochenende beschert. Das Wort vom Goldenen Oktober ist schon zu abgedroschen, um es hier zu gebrauchen. Heute stimmt es auch nicht: Silberfäden und diesige Luft, die Bäume tragen ein mattgrünes Kleid, die Herbstsonne ergießt über alles weißes Licht.

Erst um halb acht geht jetzt die Sonne auf. Um diese Zeit bin ich heute auch aufgewacht. Dann bin ich kurz aufgestanden, um die Balkontüren zu öffnen. Ich liebe es bei geöffnetem Fenster im Bett zu lesen, tief in die Decke gekuschelt und der Liebste schläft noch. Ab und zu landet ein Spatz auf dem Balkongeländer. Und wenn ich vom Buch aufschaue, dann kann ich den regen Flugverkehr im Garten beobachten. Um halb neun höre ich die Katzen unten in der Küche nach Futter jammern. Aber erst lese ich ein Kapitel zu Ende, gehe erst dann hinunter und bereite das Frühstück.. Man müßte unser Haus drehen können. Zum Frühstück liegt die Küche nämlich im tiefsten Schatten, wir müssen sogar das Licht einschalten. Währenddessen liegt der Hauseingang im vollen Sonnenschein.

11. September

 

Der Garten wird immer mehr eingesponnen. In den frühen Morgenstunden liegt ein silbern schimmerndes Tuch über der Wiese und den Sträuchern. Es ist wie das Elfenreich – nur bei ganz besonderem Licht zu betrachten – im Gegenlicht. Mein Zaubergarten hat mich wieder. Und ich traue mich kaum hindurch zu gehen. Mit jedem Schritt zerreiße ich ein feines Gespinst.

6. September 2016

Der 11. September wird für mich immer einen bitteren Nachgeschmack behalten. Als 2001 die schlimmen Nachrichten über den Bildschirm flimmerten stand ich im Wohnzimmer und war im fünften Monat schwanger. Heute geht jeden Tag irgendwo eine Bombe hoch. Kann man sich an Schrecken gewöhnen? Nein, aber ich kann mir sagen, das Sonnenlicht in den Gräsern steht in keinem Zusammenhang mit dem Bösen,  und ich kann ein wenig meiner kleinen heilen Welt mit denen teilen,
die Hilfe benötigen. Und der Garten hilft mir selber heil zu bleiben

 

Echinacea im Medizingarten auf Langeland

9. August 2016

Da haben sich auf Langeland in Dänemark Menschen zusammengetan und sind dabei einen Medizingarten aufzubauen. Die Pflanzen dort sind geordnet nach Krankheitsbildern. Also Heilpflanzen gegen Atemwegserkrankungen oder Erkrankungen des Verdauungstraktes. Man trifft viele alte Bekannte, wie Thymian oder Echinacea, aber auch solche wie Stevia, die nicht nur als Zuckerersatz dient, sondern sich auch positiv bei Diabetis Typ 2 auswirken soll. Es würde sich lohnen, noch einmal in ein paar Jahren vorbeizuschauen, wenn der Garten fertig ist. Und wo findet man ihn? Bei Schloß Traenekaer mitten auf der Insel. Da schlägt das Herz der Kräuterfrau höher.Und hier kann man beschaulich den Blick schweifen lassen: "Medizinplanten" von Mats Rosell Joergensen

https://www.youtube.com/watch?v=b8MqkdcjI1E

Der Terrassentisch und die Regentonne, sind die einzigen Plätze
im Garten ohne Schnecken

Sonntag 26. Juni        
10:30 Uhr

Wechselhaftes Wetter. Die große und kleine blaue Kugel glänzen einträchtig nebeneinander wie zwei Außerirdische, die hier in meinem Garten gelandet sind und sich ausruhen.

Die Zaunwinde, die beharrliche Würgerin, hat sich dieses Jahr das erste Mal herabgelassen ein paar ihrer weißen, unschuldigen Blüten zu zeigen. Beim Schuppen sind die Rosen ”Sonnenschirm”, Rosa mundi und die Apothekerrose erblüht. ”Sonnenschirm” hat glänzende kräftige Triebe und stört sich nicht an der Konkurrenz des Hahnenfußes und der Himbeerschößlinge. Die beiden anderen kränkeln weiterhin herum - aber das taten sie von Anfang an, egal wo sie wohnten - ihnen scheint kein Standort zu behagen. Tapfer bilden sie jährlich ein paar Blüten und ziehen sich dann hinter einem Schleier aus Mehltau zurück.

4. März 2016

Draußen blaut die Nacht herauf und im Garten schimpfen die Amseln. Es streift sicher eine Katze umher. Obwohl die durchqueren inzwischen den Garten seltener. Denn nebenan wohnt seit eineinhalb Jahren eine ziemliche muntere Hundedame. Obwohl Dame, naja - das ist eine scharfe Mäusejägerin und buddelt im Garten meiner Nachbarin so ziemlich alles aus. Außerdem ist sie viel zu struppig. Man sieht ihr den spanischen Straßenköter doch sehr an. Aber jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Eigentlich wollte ich von all den Krokussen schreiben, die sich seit Anfang Februar aus der Erde schieben. Kaum kommt ein Sonnenstrahl und schon öffnen sie eifrig ihre Blüten. Sie sind überall im Garten verteilt, zwischen den Fugen im Weg und den Terrassen und Massenhaft im Rasen. Man muß schon genau hinschauen, wenn man durch den Garten läuft, damit man niemanden zertritt.

Und wer schon alles aktiv ist: die ersten Regenwürmer kringeln sich beim Blättersammeln auf der Erde. Die Stare hocken scharenweise in der Großen Eiche am Parkplatz und schwatzen. Dompfaff und Amseln singen sich durch den Tag. Am Futterhäuschen herrscht Hochbetrieb. Nicht nur Spatzen, sondern auch skandinavische Bergfingen kehren ein. Nur wärmer könnte es sein.
Der kalte Wind geht durch Mark und Bein.

 

22. Februar

Silberstreif am Horizont – Symbol für Hoffnung und schon reichlich abgegriffen. Ich blicke über den See. Die Sonne kommt nach dem Regen hervor und verwandelt die Welt in einen Spiegel – Bleiglanz, Platinschimmer. Und da ist er: der gleißende Silberstreif auf dem See. Glitzernde Regentropfen, jede eine winzige Weihnachtskugel getrieben vom Wind. Und dann kommen neue Wolken und legen über die schimmernde Pracht wieder in schmutziges Tuch. Es tropft nur noch ungemütlich von den veralgten Ästen. Und ich warte auf den nächsten Lichtblick des Tages.

Dem Goldlack ist das alles ganz egal, seine Blütenknospen schlummern wie bunte Ostereier in einem Kranz aus Blättern und versprechen einen zeitigen Frühling.

Januar 2016

Tag der Wintervögel – diesiges Nieselwetter. Bei mir müsste es eher heißen „Tag der Stubenvögel“. Im Moment hocke ich lieber aufgeplustert wie ein Amsel im Haus, pussel dort herum statt im Garten zu werkeln. Eine Kohlmeise, eine Blaumeise und ein Wintergoldhähnchen waren die ersten. Dann das Rudel Spatzen, dass wild durch den Garten kapriolt. Spatzen bilden hier keine Schwärme. Schwarm beinhaltet elegantes kollektives Verhalten, wie die großen Staren- oder Makrelenschwärme. Nein, Spatzen sind eine kecke Rasselbande, die sich auf das Futterhäuschen der Nachbarin stürzt und ganz schnell in alle Richtungen in die Hecke schwirrt, wenn sich eine Amsel breit macht. Beschaulicher halten es da die süßen Türkentäubchen. Zwei Pärchen haben wir gerade hier. Sie liebäugeln mit der efeuumrankten Schwedischen Mehlbeere vor unserem Schlafzimmerfenster. Und die Elster reibt sich in froher Erwartung die Flügel. Im Frühling gibt es dann Ei oder Täubchen. Ich frage mich dann jedes Jahr, sind die Tauben extrem vergesslich oder fallen jedes Mal andere Paare auf den vermeintlich sicheren Brutplatz herein?

In den vormittäglichen Ansturm auf die Futterhäuschen mischen sich ein Grün- und ein Buchfink, verschiedene zänkische Amseln, und ein Schwung Kohlmeisen. Wenn dann alle weg sind, dann erklingt das Rotkehlchen und ich höre von der Eiche auf der anderen Seite des Parkplatzes den Buntspecht Signale hämmern.

 

November

Ramaria flavescens, auch Ziegenbart genannt - eine Koralle wächst an Land,
eine neue Bekanntschaft für mich.
Dieser November 2015 ist so warm, das die Pilze noch fröhlich sprießen.

16. November

Heute ist Vogeltag. In der Ferne hinter dem Hügel im Südosten ruft ein Rabe. Ich bleibe still stehen und lausche. Was gäbe ich dafür, wenn ich ihnen antworten könnte. Ich warte auf die Stimme des zweiten Raben. Und richtig, aus dem Norden kommt er geflogen und krächzt. Ich frage mich, ob sie dieses Jahr erfolgreich gebrütet haben. Im letzten Jahr hat ein Paar im Wald in einer großen Buche zwei Junge großgezogen. Im Spätherbst flogen dann vier Vögel über die Koppeln. Aber dieses Jahr sehe ich immer nur zwei. Das alte Paar?

Zwei Bussarde balzen in den Lüften. Ihre schrillen Schreie hallen am Wald wider. Schwärme kleiner piepsender Vögel stieben von Baum zu Baum. Sie sind so schnell, daß sie mir nie Zeit lassen, sie zu bestimmen. Die Winterstimmen unterscheiden sich zudem häufig vom Sommergesang. Vielleicht sind es Grünfinken?

Als ich vorhin aus dem Haus trat, scheuchte ich mindestens ein Dutzend Spatzen aus dem Rhododendron neben der Haustür auf. Dieses Jahr hatten wir drei Brutpaare, ein Paar wie in den Vorjahren unter der Dachrinne beim Badezimmer, eines im Kasten an der toten Erle und eines im neuen Kasten über dem Carport. Alle hatten mindestens zwei Bruten mit je zwei bis drei Jungen. Das ergibt eine große Verwandtschaft. Vielleicht macht es ja jemandem Spaß, das Ergebnis zu errechnen. Die Badezimmerspatzen haben übrigens dreimal gebrütet.

Wir haben ganz besonderen Besuch: Vier Schwanzmeisen. Wie alle Meisen sind sie erstaunlich flink und hektisch. Normalerweise sind sie recht scheu, aber heute turnen sie direkt vor mir in den dünnen Zweigen der Weide am Teich. Sie geben kurze schnurrende Laute von sich, huschen dann in den Weißdorn vor dem Haus und picken nach etwas Unsichtbarem. Ab und zu scheinen sie zu mir hinüber spähen, als wollten sie sagen: ”Wir haben keine Angst vor Dir!”

Wenn ich an einige Bäume schnellwachsenden Efeu pflanzte – die Sorte `Hibernica´ ist ganz gut geeignet – dann könnte das die Schwanzmeisen vielleicht dazu verleiten, in meinem Garten zu brüten. Geschützt unter dem dichten Blätterdach könnten sie ihr winziges Kugelnest anlegen. Schwanzmeisen kann man übrigens gut an dem kugeligen Meisenkörper erkennen, dem langen Schwanz und den grimmigen Augenbrauen, die so gar nicht zu dem niedlichen Vogel passen.

Oktober

2. Oktober 2015

Schwarze Tiere lassen sich schlecht fotografieren. Nicht, weil sie so schnell sind, sondern auf den Bild erscheinen sie wie ein Schattenriss. Davon mal abgesehen, dass ich nur eine diletierende Gelegenheitsfotografin bin. Unser schwarzen Kater Oskar ließ sich früher auch nur gut ablichten, wenn er in der prallen Sonne lag und sein Fell eher dunkelbraun als schwarz schimmerte. Ebenso ist es mit den Amseln, die auch in meinen jetztigen Garten herumhüpfen. Sie sind ein wenig ins Hintertreffen gekommen, weil sich ganze Schwärme frecher Jungsstare hier tummeln. Sie spektakeln um das Futterhaus und den riesigen Kirschlorbeer auf den Nachbargrundstück herum. Wenn ich in den Garten gehe, höre ich das Prrrr dutzender Schwingen und sehe die Vögel danvonstieben.

9. Oktober – morgens

Es regnet in Strömen und die Amseln spektakeln im Garten. So viele auf einmal waren es noch nie. Sie schimpfen, jagen sich durch die Gärten, suchen hektisch zwischendurch nach einem Wurm und schon flattern sie wieder herum. Ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, daß Amseln je nach Wetter und Jahreszeit unterschiedliche Stimmen haben? Im Mai und Juli jubilieren sie in den Abendstunden von den Spitzen der Bäume und den Dächern herab. Von einem Sommerregen lassen sie sich nicht stören. Aber im Herbst bei Regen flattern und hüpfen sie zeternd durch das Unterholz. Im tiefsten Winter, wenn alles verschneit ist, dann kann man nur noch ein leises ”Tuck tuck” vernehmen. Ganz nach dem Motto, bei Kälte bloß nicht den Schnabel zu weit aufreißen. Je nach Jahreszeit gibt es für mich also Sing-, Schimpf- und Tucktuck-Amseln.

Außerdem unterscheide ich noch Renn- und Hüpfamseln. Rennamseln trippeln schnell mit vorgestrecktem Kopf einige Meter über den kurzgeschorenen Rasen. Dann halten sie inne, äugen mißtrauisch in die Gegend und schon rennen sie weiter.

Hüpfamseln überqueren in mehr oder weniger großen Sprüngen den Rasen oder hüpfen durch das Unterholz und suchen nach Regenwürmern. Und schließlich gibt es noch die Wühlamseln. Kaum hat man auf ein Beet neuen Kompost oder Mulch aufgebracht, kommen sie schon herbeigesegelt und mit energischen Schnabelhieben wird alles auseinandergeflückt, so daß der Dreck in alle Himmelsrichtungen fliegt. Sie lieben es auch, das Moos aus den Regenrinnen zu pulen und ganz besonders haben sie es im Frühling auf gelbe Krokusse abgesehen. Ein Freund von mir hat einen regelrechten Haß auf Amseln entwickelt. Denn sie graben mit Inbrunst seine wertvollen Steingartenpflanzungen um, zerpflücken die Dachwurz und andere kleine seltene Pflänzchen, immer auf der Suche nach einem schmackhaften Insekt. Inzwischen hat er vieles entnervt mit Draht abgedeckt.

Ach ja, ich will die Raschelamseln nicht vergessen. Schon mehr als einmal haben sie mich zu Tode erschreckt, weil ich dachte, gleich bricht ein Unhold aus dem Gebüsch. Neben den unbekümmerten Igeln machen sie den größten Krach bei der Nahrungssuche.

Nachtkerze mit Morgentau

3. September

Drei Wanzen im Deckelglas. Vor Wanzen habe ich Respekt. Die meisten können nämlich empfindlich stechen. Vor allem der Stich der Wasserwanze ist sehr schmerzhaft. Aber man muß die Tierchen schon anfassen oder drücken, damit sie sich wehren. Wer wird schon gerne von einer Riesenhand gedrückt? Wer schon mal innigeren Kontakt mit einer Wanze hatte, der weiß auch, daß sie recht unangenehm stinken können. Abgesehen von den berüchtigten Bettwanzen, von denen früher jeder Reisende ein Klagelied singen konnte, sind es meist recht friedliche und unschädliche Tierchen. Einige sind zwar arge Pflanzenschädlinge, aber es gibt auch Raubwanzen – was für ein wunderbarer Name – die Löwen unter den Wanzen -, die sich über andere Schadinsekten hermachen.

Die Wanzen zu zeichnen, ist etwas mühsam.* Da ich eine Abneigung habe, jedes freundliche Insekt, das mit vor die Füße fällt zu, chloroformieren und aufzuspießen, wie es professionelle Biologen so lieben, muß ich mich mit dem Gewusel im Glas abfinden. Auch wenn mir so wichtige Bestimmungsmerkmale entgehen. Eine der Wanzen, die unermüdlich im Kreis krabbeln, hat den etwas verdrießlichen Namen Elasmucha grisea, und so sieht sie auch aus. Sie ist in lauter Grautöne gekleidet. Sie soll sehr häufig auf Birken leben und ganz offensichtlich auch auf Fliederbüschen. Die Weibchen sind recht mütterlich veranlagt, denn sie bewacht den rhombenförmigen Eierhaufen bis die Jungen schlüpfen. Dann ist es aber mit der Mutterliebe vorbei und sie zieht wieder ihrer Wege.

Die beiden grünen Wanzen widerstehen recht hartnäckig meinen Bestimmungsbemühungen. Inzwischen türmen sich sämtliche Insektenbücher auf dem Tisch. Die kleinen grünen, eckigen Tierchen sind nicht darin zu finden. Dabei sind sie hier recht häufig. Ich treffe sie eigentlich den ganzen Sommer über im Garten in allen Größen. Wanzen machen nämlich keine Metamorphose durch wie die Schmetterlinge, Käfer oder Fliegen, also die verschiedenen Stadien vom Ei, Larve, Puppe bis zum ausgewachsenen Insekt, sondern sie häuten sich mehrmals bis sie ihre endgültige Größe erreicht haben. Das kennzeichnet sie als etwas urtümlichere Insekten. Schließlich werde ich aber doch fündig. Die kleinen Grünen sind Baumwanzen. Was mich in die Irre geführt hat, sind die Abbildungen der ausgewachsenen Wanzen. Da sie aber z.T. je nach Art bis zu sechs Larvenstadien durchmachen und sich in Größe, Form und Farbe sehr von den Erwachsenen unterscheiden, ist detektivisches Gespür erforderlich.

 (*leider ist die Zeichnung nach über 10 Jahren nicht mehr auffindbar)

2. August

Zeit der Ebereschen und Schwebfliegen. Die kleinen Ebereschen im Garten hängen voll üppiger Beeren, korallenrot und verlockend. Und die Schwebfliegen, jene zarten, fast lautlosen Wesen, tummeln sich in Scharen an den Stockrosen, der schwarzen Königskerze oder den Bechermalven. Respektvoll huschen sie zur Seite, wenn eine der dicken braunen Hummeln angesaust kommt. Unter den Hummeln gibt es anscheinend unterschiedliche Vorlieben. Die braunen lieben die Stockrosen, die kleineren Erdhummeln, die mit dem gelbweißschwarzen Hinterleib – also der Inbegriff der Hummel – berauschen sich an den Edeldisteln (Eryngium planum) und Kugeldisteln (Echinops banaticus). Der wissenschaftliche Name der Kugeldistel ist treffend. Echinops beschreibt lautmalerisch ihre pralle runde Blütenform passend zu ihrer liebsten Kundin: Bombus terrestris – die Erdhummel. Blauviolett schimmert die Korona der Distel. Sie sind sehr selbstbewußte Schönheiten. Mit erhobenen Haupt verteilen sie Nektar an Hummeln und Schwebfliegen.

 

Erdhummeln auf Alantblüten (Bombus terrestris + Inula magnifica)

22. Juli

Nach und nach werden alle Vogelbabies flügge. Anfang letzter Woche schon sind die Jungschwalben ausgeflogen – von vier Küken wurden drei flügge im Carport. Gestern war der Hochzeitsflug der Ameisen, sie kamen aus den Ritzen der vorderen Terrassentür gekrochen und wuselten auf allen Wegen – ein schöner Schmaus für die Bachstelze, die Spatzen und unseren Buntspecht. Es ließen sich sehr gut die dickleibigen fast einen Zentimeter großen Königinnen mit silbrigen Flügeln, die winzigen Männchen und die flügellosen Arbeiterinnen unterscheiden. Heute ist der Spuk vorbei. Nur ab und zu läuft eine verwaiste Arbeiterin über die Terrasse.

Seit ein paar Tagen umschwebt ein junger Bussard das Haus und erfüllt den Himmel mit seinen überirdischen Rufen. Ab und zu wird er von den Spatzen gejagt oder anderen mutigen und winzigen Vögeln. Gestern morgen wurde ich wach von den Rufen der Raben. Und tatsächlich saßen zwei dieser schwarzen Gesellen in den Lärchen und lieferten sich ein stimmliches Geplänkel mit dem Bussard. Es folgte ein spielerisches gegenseitiges Jagen, bis sie aus meinen Blicken entschwanden.

Am Nachmittag

Malvenpracht in allen Rot- und Rosaschattierungen: Die Stockrosen, Bechermalven, die Moschusmalven (sie verblühen jetzt langsam) ,die Marokkanische Malve – tief dunkel, fast schwarz und die Thüringische Malve (Malva thuringiaca) schenken uns dieses Jahr besonders viele schöne Blüten und trotzen der Julikälte und dem trüben Himmel.

Wie rar doch die Schmetterlinge geworden sind, selbst die ”gewöhnlichsten”. Gerade ist ein kleiner brauner Waldvogel im Alant gelandet. Einer der wenigen Falter. Vereinzelt segelt ein Kohlweißling durch den Garten. Dabei könnten sich der kleine Fuchs und der Admiral an dem Sommerflieder, die Bläulinge an den gelben Melilotusblüten und die Nachtfalter an der Zaunwinde laben. Selbst die Gammafalter, jene unscheinbaren Wesen, die im vorherigen Garten so häufig waren und die zu uns aus dem Süden über die Alpen ziehen, sind kaum noch zu finden.

 

 Gartengenuß im Juli - zweierlei Stachelbeeren

22. Juni - im Garten einer fernen Zeit

Im Dorf bei einem Grundstück, wo vor kurzem ein altes Haus abgerissen wurde, habe ich eine Entdeckung gemacht. Ein Strauch, vier bis fünf Meter hoch und unscheinbar. Ich ging vorüber, verkehrsbetäubt an der lauten Straße und blieb abrupt stehen. Was für ein Duft! Er erinnert mich an Maiglöckchen. Ich pflückte einen Zweig, legte ihn ins Auto und ging zum Kaufmann. Als ich zurückkehrte, schlug mir eine Duftwolke entgegen, fast stechend, ausgesandt von nur zwei Blütendolden. G. und unserem Freund Stefan habe ich dann die Rätselaufgabe gestellt: Was kann das sein? 

Die Blätter erinnern an Goldregen. Die Blütendolden sind sehr klein und grünlich.

G. machte das Rennen: Ptelea trifoliata – dreiblättriger Lederstrauch. Was für ein häßlicher Name für so eine schlichte Pflanze! Mir wäre eher eingefallen: Grünblütiger Scheinflieder oder so ähnlich. Der andere Name Kleeulme klingt schon netter.

Während ich noch staune und entzückt bin über meine sensationelle Entdeckung, sagt das Bestimmungsbuch: ”sehr häufig” – fragt sich nur wo?- ”meist robuste Gruppen- und Heckensträucher” – robust bestimmt, Hecke sicher auch – aber kein Wort von ihrem Geheimnis im Juni: ihr Duft. 

 

Kleeulme - Ptelea trifoliata

1. Juli 2015
Meine größte Freude jetzt im Garten, wo es endlich warm ist, ist jetzt die Kleeulme. Dort sitze ich jetzt morgens und frühstücke. Ich habe sie ganz zu Anfang, als wir in dieses Haus zogen, gepflanzt. Sie ist jetzt mit unscheinbaren gelbgrünen Blütenbällen geschmückt und duftet scharf und süß. Die Hummeln und Bienen lieben sie auch und sammeln dankbar im Sonnenschein den Nektar. Der ganze Strauch ist mit ihrem Summen erfüllt. Wollen Sie den Brummern einen Gefallen tun und nicht zuletzt ihrer Nase, pflanzen Sie eine Kleeulme. Am besten neben einen falschen Jasmin (Philadelphus coronarius). Allerdings sollten Sie dann schon ein wenig Platz haben.

Inzwischen weiß ich ein wenig mehr über sie. Dort wo sie herstammt, wird sie als Hoptree bezeichnet, und war für die Indianer von Ontario bis Mexiko ein wichtiges Heilmittel gegen allerlei Parasiten. Sie soll gegen solche unangenehmen Zeitgenossen wie Trichinen, Maden- und Fadenwürmer helfen. Man sammelte die Wurzelrinde und die Blätter nach der Fruchtreife. Sie soll auch gegen Fieber helfen.

Ptelea trifoliata ist eine unscheinbare Verwandte der Organgen und Zitronen, alles Rautengewächse (Rutaceae) mit vielen ätherischen Ölen. Der Lobgesang geht weiter, wenn man liest, dass sie sehr trockenheitsresistent und schattenverträglich ist. Wer aber in ihrem üppigen Blütenduft schwelgen will, sollte sie aber in die Sonne pflanzen.

 

3. Juni 2015

Jetzt will ich nicht in das allgemeine Gejammere über die ungewöhnliche Kälte des Mais und des Junianfangs einstimmen. Es hat auch alles seine Vorteile: alles blüht später und ein wenig länger. Aber an Wäscheaufhängen draußen ist nicht zu denken. Und wir müssen uns durch ein Wolke kleiner harmloser Mücken bis zur Haustür vorarbeiten. Ein ganzer Schwarm sucht regelmäßig Zuflucht unter unserem Vordach. Jedes Mals, wenn man die Tür öffnet wird ein Schwall von Ihnen ins Hausinnere gesogen, wo sie dann verenden. Die Armen. Dann mache ich mir ein wenig Sorgen um die Rauschwalben. Sie werden bei den kühlen Temperaturen später brüten. Wenn überhaupt. Und der Kuckuck macht gestern nur einmal Kuckuck. Dafür posiert gestern ein prächtiger Dompfaff vor meinem Bürofenster und der Buntspecht turn keckernd durch den Kirschbaum. Jetzt habe ich doch gejammert, aber immerhin für andere.

19. Juni  7:00 Uhr - im Garten einer fernen Zeit

Nebel über den Hängen und dem See. Ein Schnurrbündel von Katze, adrett mit rotem Flohhalsband, kommt in die Küche.

Was bekommt die Gärtnerin?

Drei Töpfe gelben Fingerhuts von dem Liebsten und eine riesige blaue Glanzkugel, größer als ein Niveaball. Daran werden sich die Zwerge die Nase platt drücken. Zumindest gefällt mir die Vorstellung, daß sie das könnten. Im Inneren werden die Ameisen einziehen.

Ein Gang durch den Garten: Ist die innere Trägheit einmal überwunden, dann sind die Morgenstunden ein Geschenk. Mein Geschenk an mich.

Zwischen den Kirschbäumen spannen sich glitzernde Spinnweben. Sonnenlicht strömt hindurch. Die Gräser auf der Pferdekoppel schimmern fuchsrot und silbrig im Gegenlicht.

Die Oskarkatze trödelt hinter mir her. Das Geburtstagsgeschenk des Gartens an mich: New Dawn bietet mir ihre üppigen porzellanrosa Blüten dar.

Schlehenblüten am Tag der Arbeit 2015 mit Arbeiterin

3. Mai

Kleine braune Pelzwesen schweben heute durch den Sonnenschein und laben sich an den Schlüsselblumen und den violetten Kreuzblüten des Silbertalers. Eine große Steinhummel läßt sich von meinen neugierigen Blicken nicht stören. Sie ist so schwer, daß sich die Blüten unter ihrem Gewicht tief nach unten neigen. Sogar als ich mich mit der Kamera ganz dicht heranwage, arbeitet sie unbeeindruckt weiter. Die Hummelschweber sind scheuer. Das braune Fell erinnert mich ein wenig an Pfeifenreiniger. Sie haben einen erstaunlich langen dünnen Rüssel, der manchen abschrecken mag, zumal sie ihn im Flug ausgestreckt vor sich her tragen. Aber Hummelschweber sind harmlose Geschöpfe. Ihr Rüssel dient lediglich zum Nektarnaschen. Sie gehören zur großen Familie der Fliegen und sind also hoch entwickelte Lebewesen, mit komplizierten Sinnesorganen und Flugapparat. Im Schwebflug stehen sie vor den Blüten und tauchen den Rüssel wie eine Nadel in den Kelch. Sie freuen sich bestimmt genauso wie ich über den schönen Maitag.

Oben neben der Balkontür entfaltet der Wilde Wein seine lackierten Blätter. Im Herbst und im Austrieb spielt er mit den verschiedensten Rottönen.

 

6. April - im Garten einer fernen Zeit

Später Abend

Die Nacht ist lau, windstill und voller Geräusche. Ich höre die Wasservögel auf dem See gageln. Im Teich knurren die paarungswilligen Kröten und in der Ferne rauscht der Verkehr auf der Bundesstraße auf der anderen Seite des Sees. Die Wolken hängen tief und versprechen Regen.

Mitternacht

Ein friedlicher warmer Regen fällt herab, die Kröten wandern und ich mache Inventur. Es schwimmen mindestens zwanzig bis dreißig Kröten im Teich, siebenundzwanzig sind im Garten auf dem Weg dorthin. Dann laufe ich mit Taschenlampe und Eimer die Einfahrt und die Straße hinunter und sammle zwölf weitere ein. Eine Zufahrt weiter klebt auf dem Asphalt eine tote Kröte. Meine kleinen Freunde im Eimer quieken herzergreifend und wollen hinaus. Als ich sie am Teich auslade, höre ich ein Auto ziemlich schnell vorüberfahren und bin froh, daß die unruhigen Tiere nun in Sicherheit sind. Sechzig bis siebzig Kröten, das ist doch eine ganz gute Bilanz. Letztes Jahr waren es erheblich weniger und jetzt balzen und paaren sie sich quiekend und knurrend die ganze Nacht. Vor allem die kleineren Männchen geben die hohen Töne von sich. Ob es die großen aufgeblähten Weibchen sind, die knurren und sich beschweren, wenn gleich drei liebestolle Kerle auf ihr herumturnen? Irgendjemand weiß darauf sicher eine Antwort. Sicher und recht bekannt ist, daß Kröten ihrem Geburtsort treu bleiben. Deswegen ist es ja so verheerend, daß noch immer Teiche und Tümpel zerstört oder durch Straßen abgetrennt werden. Ein wenig Vorsorge kann man bei drohender Gefahr dadurch treffen, daß man Laich entnimmt und an geeigneter Stelle wieder aussetzt. Aber die alten Gewässer sind doch die besseren. Die Sommer- und Winterquartiere sind nicht weit und bieten wohl auch die meiste Nahrung. Bei mir sollen sich die Kröten ruhig stapeln und Schnecken fressen bis zum Abwinken. Denn die schleimen jetzt schon hier herum, kleine wie große.

12. April 2015

Ich frage mich, ob es in dem Garten immer noch so viele Kröten gibt. Hier im anderen Haus höre ich andere Klänge. Gut zwei Wochen war hier eine Waldohreule zu Gast. Sie hockte in einer Fichte auf dem Nachbargrundstück und brachte mit ihrem ausdauerndem "Hu" meine Tochter um den Schlaf. Manchmal im Mai und Juni höre ich aus der Ferne Laubfrösche. Wo die ihr Laichgewässer haben, konnte ich noch nicht feststellen. Ich stolpere ungerne im Finstern über die Feldwege.

Die Ratte hat übrigens ein ausgedehntes Gängesystem angelegt, mit einem Nest im Sockel der Regentonne, Klo im Gewächshaus (die arme Olive) und Vorratskammer im Kompostkasten. G. hat letztens alles unter Wasser gesetzt. Da ist sie ausgeszogen. Aber ich traue dem Ganzen nicht. Wo eine Ratte ist, sind immer gleich viele.

 

Groß Wittensee, 10. März 2015

Könnte ich mit der Krokuspracht in Husum konkurrieren? Na, noch nicht ganz. Hatte sich in den letzten Jahren das zartviolette Völkchen auf den unteren Garten beschränkt, sind jetzt zahlreiche Nachkommen in weitere Teile de Gartens gewandert . Sie kommen jetzt überall unter den Hecken, zwischen den Steinen und mitten im Weg aus der Erde. Anfang Februar kamen die ersten Knospen aus dem Boden. Und jetzt haben sie es furchtbar eilig sich zur Sonne zu öffnen und die ersten Hummelköniginnen zu anlocken.

Pünktlich zum ersten März ist die Singdrossel eingetroffen und singt schon in der Morgendämmerung. Die Ratte im Kompost wühlt nicht mehr ganz so stark, durch die Küchenreste. Ob sie wieder ausgezogen ist? Na ja, spätestens, wenn der neue Kompostkasten aufgestellt wird,  muss sie ausziehen. Einmal haben wir im Winter Gift ausgelegt, aber sie war wohl zu schlau für uns. Da habe ich es nicht mehr über das Herz gebracht, sie weiter zu verfolgen. Solange sie nicht ins Haus kommt.

 

 

Es war einmal... So fangen viele Märchen an. Die Zeit, die ich vor Jahren mit einem Garten am Wittensee verbringen durfte, hatte auch etwas Märchenhaftes. Mit dem Kuckuck über dem Haus und jungen Pferden auf der Koppel nebenan. So wie damals gibt es diesen Garten nicht mehr. Das macht mich wehmütig. Aber Veränderung macht einen Garten und letztlich das Leben aus. Nun leben andere Menschen darin. Und ich hoffe, über Ihnen möge ebenso ein Segen liegen, wie damals auf mir und meiner Familie. 

12. Januar

Singschwäne konzertieren in der Morgendämmerung. Der Frost hat in der Nacht Wiese, Büsche und Bäume milchigweiß überzogen - Zwielicht. Ich zwinkere und versuche klarer zu sehen. Die Luft bleibt unscharf bis zum Sonnenaufgang. In das Schlafzimmer schwappt feuchte Kälte.

 

25. Januar

Die Winterschläfer kommen nicht zur Ruhe. Kaum steigt die Temperatur ein paar Grade über Null, spielen ein paar Mücken im Schutz des Schuppens in der Luft, eine Spinne vor dem Arbeitszimmer wacht auf und webt ihr Netz. Vorgestern kündeten ein paar verirrte Stare in der frostigen Nacht den Wetterwechsel an. Die Zugvögel machen sich nicht mehr die Mühe in den Süden zu ziehen. Sogar der Storch im Nachbardorf ist geblieben. Wir Menschen würden lieber heute als morgen in das nächste Flugzeug steigen und nach Gran Canaria fliegen, um unseren Pelz zu wärmen. Aber die Vögel bleiben freiwillig da. Ein Star findet dann anscheinend noch immer ein paar aktive Würmer und vergißt auch nicht die eingeschrumpelten Hagebutten und Schlehen.

18. Januar 2015

Wie sich die Zeiten geändert haben. Der Januar ist abgesoffen. Im unserem Dorf gibt es schon lange keinen Storch mehr. Dafür schiebt ein Büschel zart violetter Krokusse die Köpfchen aus dem Rasen und die Eichhörnchen plündern das Futterhäuschen. Aber die Singschwäne gibt es noch. Als ich gestern spät abends aus dem Auto stieg zogen sie über mir in der Dunkelheit zum See. Das ist tröstlich.

Dezember

6. Dezember – morgens

Der Himmel brennt im Südosten. Violett mischt sich mit Orange und Blau. Schwarz und wirr verflechten sich die Kirschzweige vor meinem Fenster. Am untersten Rand des Horizontes sickert ein Steifen gelben Feuers hervor.

Nach einer halben Stunde ist das morgendliche Feuerwerk vom grauen Einerlei verschluckt.

Noch immer kein Frost! Die Tage sind so trist und lau, daß Moos und Gras beharrlich weiterwuchern und langsam die Gartenwege verschlingen und der Echte Jasmin zwei Monate zu früh blüht. Seine zarten gelben Blütensterne schmücken die dünnen grünen Zweige.

In Eckernförde blüht eine verwirrte Kirsche, die großen Gänseschwärme an der Nordsee sind aus dem südlicheren Holland zurückgekehrt und im Garten von Freunden blühen elf verschiedene Pflanzen, die sich im Datum geirrt haben. Fingerhut im Dezember oder weiße Taubnessel, wann hat man davon schon gehört? Von Rosen, Ringelblumen und Gänseblümchen weiß man ja, daß sie durchhalten, bis der erste Frost sie verdorren läßt. Aber Kapuzinerkresse und Wicken ? Sorgenvoll blicke ich auf die geschwollenen Knospen der Kletterhortensien. Werden sie dem Frost im Januar standhalten?

23. Dezember

Vor ein paar Tagen ist endlich der Frost ins Land gezogen. Die blauen Kugeln im Garten sind weiß verschleiert, die letzten Blüten der Stockrosen neigen demütig die Köpfe. Und die Katzen laufen auf Zehenspitzen durch den Garten. Heute wird es den ganzen Tag nicht mehr richtig hell. Der Himmel eintönig grau, die Welt ist schwarz mit einem grünen Schimmer. Kleine Schwärme von Grünfinken tummeln sich am Teich. Und irgendwo flötet traurig ein Dompfaff. Vom See schallt der Ruf einer Eiderente herauf. Das Moos des Rasens und die Grashalme sind mit glitzernden Eiskristallen überzogen, es entstehen ganz neue Muster. Die Knospen der Zaubernuß und des Duftschneeballs sind dick geschwollen. Wie Sterne hängen die gelben Blüten des Jasmin an den dünnen Zweigen. Das ist das Dezembergeschenk des Gartens an uns.

Ich hacke Holz am Schuppen und genieße die klare Luft. Nun hausen wir hier still und friedlich, weit weg von jedem Trubel, nur oben am Hügel können wir abends die Lampen unserer Nachbarin blinken sehen. Uns gehört nun der ganze See, der stille Wald und der Himmel über uns.

Nachher werden wir am glühenden Ofen sitzen, faulenzen und die Weihnachtspost lesen.

November

 

 

7. November

Nach einem nebligen Vormittag bricht die Sonne hervor und vergoldet die Lärchen, das Gras. Über den Wolken höre ich die Rufe zweier Singschwäne, die singen ein Duett. Das Rotkehlchen fällt ein mit seinem flirrendem Gesang. Die Wintermäntel haben längst Einzug gehalten. Eingemummelt mit hochgeschlagenem Kragen und Schal reche ich das Laub zusammen. Jetzt ist die Zeit, wo Lavalles Weißdorn, seinen Trumpf ausspielt. Festlich prunken rote und orange Äpfelchen vor dunklem Laub. Wie ein Vorbote der Weihnachtszeit. Aber noch glänzt alles herbstlich. Ich treffe mal wieder ein paar kleine Unbekannte: einen grauen kleinen Pilz, dessen Lamellen violett schimmern, oder solche mit großen rostroten fleischigen Ohren. Sie kuscheln sich ins tiefe Gras. Ein großes Kaninchen sprintet vom Knick über die Koppel bis zu unserer Rosenhecke. Ich halte inne und hoffe, daß es sich vorsichtig in den Garten wagt. Aber es ist wohl zu mißtrauisch.

Also kehre ich weiter Laub zusammen und karre es zum Kompost.

9. November

In der Dämmerung beginnen die Dinge zu leuchten.

Das letzte Grün der Blätter, die gelben Nadeln der Lärchen. Vier porzellanfarbene Rosenblüten schaukeln am Schuppen, einige tapfere Cosmeablüten –tiefrosé, einige flammende Chrysanthemen mit gelben Augen.

Oktober

Abendstimmung am See.

 Spiegelbilder: doppelter Schwan, doppelter Wald, runder Stein, gestreifter Sonnenschirm auf einem Steg. Eine Stockente quakt, ein Bläßhuhn flattert auf. Eindringlich fiept ein anderer Wasservogel. Die Welt ist graublau, die Ufer verschwimmen in Schatten. Gelbes Lichtmusterband durchbricht die Wolken. Sie ziehen träge von West nach Ost. Ein unsichtbarer Mensch hinter mir pfeift fröhlich, fern rumoren die Autobahn, die Landstraße. Zwei Krähen fliegen nach Süden, ”Krah, Krah”, ihre Schwingen zerpulsen die Luft. Irgendwo schnarrt ärgerlich ein Zaunkönig, die winzige Silhouette eines Ruderbootes und unter dem Steg schwimmt ein Schwarm kleiner Flußbarsche hindurch. Kinderstimmen juchzen, es hallt durch den Uferwald. Die Wochenendnachbarn feiern das Ende des Sommers. Eine Amsel beginnt zögernd ihr Abendlied. Es klingt, als säße sie in einem Zimmer. Dann ein Flugzeug – ein Sportflieger durchschneidet alle anderen Klänge. Als er verklingt, scheint der Uferwald aufzuseufzen. ”Glucks”, ein Fisch rechts von mir. Das Bild vor mir ist so still und friedlich – abendliches Schattenspiel mit Haubentauchern, Bläßhühnern und Ruderboot und im Hintergrund verschwimmt alles langsam im abendlichen Dunst.

 

7. Oktober

Jeden Morgen liegt nun ein großer Haufen hellroter, gelblich brauner Blätter vor dem Haus. Der Wilde Wein verkündet nachdrücklich: ”Wir haben Oktober.” Es bringt Spaß, das Laub zusammenzurechen, den frischen Geruch einzuatmen und den Blick in die Farben einzutauchen. Ich kann die Menschen nicht verstehen, die sich über die Mühsal des Blätterfegens im Herbst beklagen. Dieselben Leute geben viel Geld aus, um in einem häßlichen geschlossenen Raum einen Ball an die Wand zu knallen oder um mit fünfzig anderen auf der Stelle zu hüpfen. Dafür schwingen sie sich auch noch ins Auto, anstatt dorthin zu laufen. Ich schwitze lieber beim Laub rechen.

 

September

Heute sitze ich in der Küche und entsafte Fliederbeeren in dem großen Topf, den ich von meiner Mutter geerbt habe. Der Laptop steht auf dem Küchentisch und ich kann sehen, wie der Saft langsam in die Gläser tröpfelt. Die ganze Küche duftet. Draußen ist es stürmisch und warm. Vor mir in einem Glas sitzt eine grüne Wanze (nein, nicht auf der Mauer auf der Lauer).Es ist eines der Wesen, das ich aus dem großen Topf gerettet habe. Ein Dutzend Ohrenkneifer, einen ca. 5 mm langen roten Rüsselkäfer, diverse kleine Spinnen, ein kleiner und ein großer Weberknecht, eine Kreuzspinne ist die Ausbeute, die wieder in den Garten wandert. In mehreren Räumen des Hauses stehen durchsichtige Plastikbehälter und ein Blatt Papier parat, um kleine Tiere einzufangen und hinaus zu befördern.

Den größeren Weberknecht habe ich gerade eben porträtiert. Daß sich die Kreuzspinne ausgerechnet in meine Haare flüchten mußte, fanden wir beide gleichermaßen unangenehm.

Vorhin als ich die Fliederbeeren pflückte, wickelte mich der Wind ganz in seine Klänge ein. Alle Tiere schwiegen, kein Laut der Menschen war zu vernehmen. Nur der Wind, der Fliederstrauch und ich. Der Wind roch nach Regen, streichelte sanft meine Haut, wirbelte in meinen Haaren.

August

Zeit der Ebereschen und Schwebfliegen.

Die kleinen Ebereschen im Garten hängen voll üppiger Beeren, korallenrot und verlockend.

Und die Schwebfliegen, jene zarten, fast lautlosen Wesen, tummeln sich in Scharen an den Stockrosen, der schwarzen Königskerze oder den Bechermalven. Respektvoll huschen sie zur Seite, wenn eine der dicken braunen Hummeln angesaust kommt. Unter den Hummeln gibt es anscheinend unterschiedliche Vorlieben. Die braunen lieben die Stockrosen, die kleineren Erdhummeln, die mit dem gelbweißschwarzen Hinterleib – also der Inbegriff der Hummel – berauschen sich an den Edeldisteln (Eryngium planum) und Kugeldisteln (Echinops banaticus). Der wissenschaftliche Name der Kugeldistel ist treffend. Echinops beschreibt lautmalerisch ihre pralle runde Blütenform passend zu ihrer liebsten Kundin: Bombus terrestris – die Erdhummel. Blauviolett schimmert die Korona der Distel. Sie sind sehr selbstbewußte Schönheiten. Mit erhobenen Haupt verteilen sie Nektar an Hummeln und Schwebfliegen.

 

Juli

6. Juli mittags

Ich vermisse den Kuckuck – wie er um mein Haus schwirrte, mal in den Lärchen mal in Nachbars Birke, mal in der toten Erle landete und unermüdlich rief. Was für ein spöttisches, gurgelndes Lachen er hat. Er rief und rief, als wollte er um mich werben und flog immer wieder um das Haus herum. Aber wie scheu er ist! Ich durfte mich nicht hinaus trauen, dann flog er hastig fort.

Der Frühsommer ist vorüber. Er ist wieder abgereist ins ferne Afrika. Ich wünsche ihm eine glückliche Reise.

22. Juli

Nach und nach werden alle Vogelbabies flügge. Anfang letzter Woche schon sind die Jungschwalben ausgeflogen – von vier Küken wurden drei flügge im Carport. Gestern war der Hochzeitsflug der Ameisen, sie kamen aus den Ritzen der vorderen Terrassentür gekrochen und wuselten auf allen Wegen – ein schöner Schmaus für die Bachstelze, die Spatzen und unseren Buntspecht. Es ließen sich sehr gut die dickleibigen fast einen Zentimeter großen Königinnen mit silbrigen Flügeln, die winzigen Männchen und die flügellosen Arbeiterinnen unterscheiden. Heute ist der Spuk vorbei. Nur ab und zu läuft eine verwaiste Arbeiterin über die Terrasse.

Seit ein paar Tagen umschwebt ein junger Bussard das Haus und erfüllt den Himmel mit seinen überirdischen Rufen. Ab und zu wird er von den Spatzen gejagt oder anderen mutigen und winzigen Vögeln. Gestern morgen wurde ich wach von den Rufen der Raben. Und tatsächlich saßen zwei dieser schwarzen Gesellen in den Lärchen und lieferten sich ein stimmliches Geplänkel mit dem Bussard. Es folgte ein spielerisches gegenseitiges Jagen, bis sie aus meinen Blicken entschwanden.

Am Nachmittag:

Malvenpracht in allen Rot- und Rosaschattierungen: Die Stockrosen, Bechermalven, die Moschusmalven (sie verblühen jetzt langsam) ,die Marokkanische Malve – tief dunkel, fast schwarz und die Thüringische Malve (Malva thuringiaca) schenken uns dieses Jahr besonders viele schöne Blüten und trotzen der Julikälte und dem trüben Himmel.

Wie rar doch die Schmetterlinge geworden sind, selbst die ”gewöhnlichsten”. Gerade ist ein kleiner brauner Waldvogel im Alant gelandet. Einer der wenigen Falter. Vereinzelt segelt ein Kohlweißling durch den Garten. Dabei könnten sich der kleine Fuchs und der Admiral an dem Sommerflieder, die Bläulinge an den gelben Melilotusblüten und die Nachtfalter an der Zaunwinde laben. Selbst die Gammafalter, jene unscheinbaren Wesen, die im vorherigen Garten so häufig waren und die zu uns aus dem Süden über die Alpen ziehen, sind kaum noch zu finden.

Juni 

  Gislaine de Féligonde - kleinblütige,
  remontierende Strauchrose

7. Juni

Der Kuckuck weckt mich aus meinen Träumen an einem regnerischen Morgen. Mal fern, mal nah ruft er stolz in die Dämmerung. Er, der Götterbote des Sommerbeginns, flüchtiger Reisender.

Alle Sehnsucht der Kindheit auf weiten Wiesen erwacht. Und doch bin ich froh, eine erwachsene Frau zu sein. Ich kann da leben, wo der Kuckuck wohnt, und muß nicht mehr fort.

20. Juni

Hinter den Gräsern mit den Spinnweben lächelt der Putto im grünen Schatten und trägt graziös die Schale mit der Zwergweide. Im Laub unter dem Rhododendron raschelt eine Maus. Wie kann man sich über eine Wühlmaus ärgern, wenn sie so nett raschelt ?

Jeder Brummer hat seinen Summton. Er variiert um Halb- und Vierteltöne. Fällt das Summsen um mehrere Oktaven ab, dann ist es bestimmt die Hornisse. Mir jagt sie ein wohliges Kribbeln über die Haut und Du ziehst bestimmt automatisch den Kopf ein, wenn sie vorüberdüst. Sie ist das ehrfurchtgebietendste Insekt im Garten, schön und schrecklich zugleich.

Die Irisblüte ist nun seit zwei Tagen endgültig vorüber. Dafür schwängern der Falsche Jasmin, die Apfelrosen und das Heu die Luft mit Süße. Der Lavendel hat sich entschlossen zu blühen. Und das Johanniskraut ist heimlich und schlicht aufgegangen.

Gislaine de Féligonde hat ihre Rosenschalen geöffnet. Ich liebe ihre zierlichen Blüten und ihren komplizierten Namen. Er erinnert an Malmaison und Kaiserin Josephine, die ewig Weißgekleidete. Gislaine errötet bevor sie erblüht, als sei sie freudig erregt. Geöffnet strahlt sie in einem seidigen Apricot mit orangefarbenen Staubfäden und wenn sie vergeht, erbleicht sie zu einem geisterhaften Weiß. Heute morgen begann sie ganz zart zu duften.

Bevor ich es vergesse:

Da gibt es so graubraune Vögelchen, die zwar direkt neben Dir im Busch oder über Dir in der Kirsche ihr Lied trällern, aber zu sehen bekommst Du allerhöchstens einen weghuschenden Schatten. Sie vermitteln mir das Gefühl, als seien sie zu schamhaft und erröteten - zumindest die Schnabelspitze - wenn ich Ihnen in die Augen schaute.

Mai

Traubenkirsche

 3. Mai

Kleine braune Pelzwesen schweben heute durch den Sonnenschein und laben sich an den Schlüsselblumen und den violetten Kreuzblüten des Silbertalers. Eine große Steinhummel läßt sich von meinen neugierigen Blicken nicht stören. Sie ist so schwer, daß sich die Blüten unter ihrem Gewicht tief nach unten neigen. Sogar als ich mich mit der Kamera ganz dicht heranwage, arbeitet sie unbeeindruckt weiter. Die Hummelschweber sind scheuer. Das braune Fell erinnert mich ein wenig an Pfeifenreiniger. Sie haben einen erstaunlich langen dünnen Rüssel, der manchen abschrecken mag, zumal sie ihn im Flug ausgestreckt vor sich her tragen. Aber Hummelschweber sind harmlose Geschöpfe. Ihr Rüssel dient lediglich zum Nektarnaschen. Sie gehören zur großen Familie der Fliegen und sind also hoch entwickelte Lebewesen, mit komplizierten Sinnesorganen und Flugapparat. Im Schwebflug stehen sie vor den Blüten und tauchen den Rüssel wie eine Nadel in den Kelch. Sie freuen sich bestimmt genauso wie ich über den schönen Maitag.

Oben neben der Balkontür entfaltet der Wilde Wein seine lackierten Blätter. Im Herbst und im Austrieb spielt er mit den verschiedensten Rottönen.

10. Mai

Weißer Überschwang. Die Kirschen und Schlehen versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen. Es ist die Zeit der Prächtigkeit mit dem zarten Buchengrün in den Wäldern, den himmelblauen Vergißmeinnicht überall in den Beeten und den weißen und gelben Tupfen der Gänseblümchen und des Löwenzahns im Rasen. Vorhin fuhr ich nach Schleswig und war geblendet von dem satten Gelb einer Wiese voller Löwenzahn. Die Rapsfelder stehen in Blüte und verbreiten ihren öligen Geruch.

April

6. April - Mitternacht

 Ein friedlicher warmer Regen fällt herab, die Kröten wandern und ich mache Inventur. Es schwimmen mindestens zwanzig bis dreißig Kröten im Teich, siebenundzwanzig sind im Garten auf dem Weg dorthin. Dann laufe ich mit Taschenlampe und Eimer die Einfahrt und die Straße hinunter und sammle zwölf weitere ein. Eine Zufahrt weiter klebt auf dem Asphalt eine tote Kröte. Meine kleinen Freunde im Eimer quieken herzergreifend und wollen hinaus. Als ich sie am Teich auslade, höre ich ein Auto ziemlich schnell vorüberfahren und bin froh, daß die unruhigen Tiere nun in Sicherheit sind. Sechzig bis siebzig Kröten, das ist doch eine ganz gute Bilanz. Letztes Jahr waren es erheblich weniger und jetzt balzen und paaren sie sich quiekend und knurrend die ganze Nacht. Vor allem die kleineren Männchen geben die hohen Töne von sich. Ob es die großen aufgeblähten Weibchen sind, die knurren und sich beschweren, wenn gleich drei liebestolle Kerle auf ihr herumturnen? Irgendjemand weiß darauf sicher eine Antwort. Sicher und recht bekannt ist, daß Kröten ihrem Geburtsort treu bleiben. Deswegen ist es ja so verheerend, daß noch immer Teiche und Tümpel zerstört oder durch Straßen abgetrennt werden. Ein wenig Vorsorge kann man bei drohender Gefahr dadurch treffen, daß man Laich entnimmt und an geeigneter Stelle wieder aussetzt. Aber die alten Gewässer sind doch die besseren. Die Sommer- und Winterquartiere sind nicht weit und bieten wohl auch die meiste Nahrung. Bei mir sollen sich die Kröten ruhig stapeln und Schnecken fressen bis zum Abwinken. Denn die schleimen jetzt schon hier herum, kleine wie große.

 

Silbertaler im April - Lunaria annua

13. April Karfreitag

Lausig kalt ist es seit gestern. Der Wind geht durch Mark und Bein. Aber ich habe mich warm eingepackt und pflanze ein paar Stiefmütterchen in Töpfe zum Leidwesen von G., der die nicht ausstehen kann. Er stichelt, ob ich mich im Alter dann auch endlich zu Eisbegonien bekennen würde. Da kann ich ihn beruhigen. Begonien wird es bei uns nicht geben, auch keine Alpen- und Usambaraveilchen auf der Fensterbank. Aber Stiefmütterchen mochte ich schon immer. Als emanzipierte Ehefrau stehe ich dazu. Ich lasse mich also nicht beirren und pflanze orange Stiefmütterchen in zwei Töpfe für die beiden kleinen Balkons und kleine violette Hornveilchen für die Küchenterrasse und den Hauseingang. So üppig blüht es ja im Garten noch nicht, da können ein paar Farbkleckse nicht schaden. Am liebsten sind mir die Stiefmütterchen mit den verlaufenden Aquarellfarben, zartviolett und blau. Die Schneeweißen und die gelben mit dem schwarzen Herzen haben meiner Ansicht zu harte Farben. Leider werden nicht sehr viele Farbnuancen angeboten, obwohl es unendlich viele Sorten gibt. Die kann man höchstens über Fachgärtnereien als Samen erhalten und muß sie im Herbst vorziehen.

März

In dem Jahr, als ich das tagebuch schrieb, verbrachte ich den März in Kanada, Saskatoon - machen Sie sich also auf etwas ungewohnte Perspektiven gerfaßt:

6. März

Über Grönland liegt nur ein zarter Dunst. Was die Natur aus Zyan und Weiß zaubern kann: das Land der Schneekönigin. Tiefes dunkles Wasser, gefaltete Gletscher, die dem Meer zustreben, dreieckige Berge bis zum Horizont. Das Inlandeis ist leicht gewellt, wie die See an einem windstillen Tag. Wie eine unendlich langsame Dünung, die zwischen einem Kranz aus Bergen hin und her schwappt. So gemächlich, daß nur die Felsen es wahrnehmen. Der größte Teil des Eises darunter liegt ruhig wie in einer Schüssel und drückt die Erdkruste durch sein Gewicht in die Tiefe.

Haben die Grönländer Gärten? Wohl kaum. Eisblumen und Schneewehen, Motorschlitten und Stockfisch auf Holzgerüsten. Würde es mich jemals nach Grönland verschlagen, so ich legte ganz sicher auch hier einen Garten an. Aus Treibgut und Polsterpflanzen und zähen Gräsern, die im Winter im Schnee versinken. Zarte Blümelein, in einem flüchtigen Sommer. Ich stelle mir vor, es werden vor allem weiße und rosa Blüten sein und vereinzelt blaue. Arktische Lupinen, Heidekraut und Lappländischer Rhododendron hielten ihre kleinen Blüten zitternd in den Wind. An die fünfhundert verschiedene Farn- und Blütenpflanzen soll es immerhin auf der Grünen Insel geben. Davon allein neunzig verschiedene Grasarten.

Ich würde einen Moos- und Kriechbaumgarten an einem geschützten Platz kreieren und versuchen, bunte Flechten auf runden Steinen anzusiedeln. In einer feuchten Senke (kein stehendes Wasser, damit züchtet man Mücken und die besonders fiesen Kriebelmücken) wüchse Wollgras flankiert von der Bärentraube, deren Beeren im frühen Herbst knallrot leuchten. Ich schüfe einen Kies- und Geröllgarten mit kleinen grünen Inseln aus Knollenknöterich (Polygonum viviparum), und der Silberwurz (Dryas octopetala), die in Europa einer ganzen Klimaphase nach der Eiszeit den Namen gab, und der winzigen arktischen Weide (Salix arctica) auf einem Moos- und Flechtenpolster.

7. März Saskatoon

Mein Bruder lebt in der Villa Kunterbunt. Egal welchen Schrank man öffnet oder wohin man den Blick richtet, von überall her schauen einen Glasvasen, Tassen oder Glasobjekte der kuriosesten Farben und Formen an. In seinem Garten wachsen umgedrehte Stühle im Schnee, die Spatzen zwitschern im runzligen Ahorn und im kahlen Flieder. Über allem gleißt die Märzsonne. Der erste Vogel, der mich hier begrüßt, ist eine Elster, die zwischen den Bäumen hin- und herflattert. Hier keckern sie anders als bei uns, im kanadischem Elsterndialekt. 

15. März Vormittag 

Mein Bruder hat sich eben ein wenig hingelegt und ich sitze träge in der Küche. Gestern abend oder besser heute früh war es bei ein paar Gläsern Wein sehr spät geworden. Vorher hatte ich für meinen Bruder und seine Freundin L. gekocht. Anschließend hat uns L. zu sich nach Hause eingeladen. Sie hat nördlich der City ein kleines Holzhaus, grün und weiß gestrichen mit einem kleinen Garten. Hier auch Yard genannt. Ein kleiner Rasenfleck ist von schmalen Beeten umgeben und eine schlichter hoher Holzzaun schirmt ihn gegen rauhe Winde und neugierige Blicke ab.

Wir versuchten uns über die Pflanzen zu unterhalten, die sie dort stehen hat, und was sie in diesem Jahr aussähen möchte: weißen gefüllten Mohn ("white poppies"), Kapuzinerkresse ("nasturtium"), Cosmea ("cosmos") und Wicken ("sweet pea").

Bei manchen Namen wurde es allerdings schwierig. Was um Himmels Willen ist "dogwood"? Und Buchen sind hier in der Prärie anscheinend so unüblich, daß L. nichts mit dem englischen Wort "beech" anfangen konnte. Mit Hilfe ihrer umfangreichen Gartenliteratur (Gartennärrin trifft Gartennärrin) wurden wir uns einig, daß ihr "sibirian dogwood" Cornus alba 'Sibirica' ist, jene Kornelkirsche, die im Winter mit ihren roten Zweigen glänzt.

Etwas verwirrend ist, daß sämtliche Kletterpflanzen in hiesigen Gartenzeitschriften als "vine" bezeichnet werden. "Climber" versteht aber auch jeder.

Ich stelle fest, daß hier fast alle Gartenpflanzen wachsen, die auch im regnerischen und wärmeren Schleswig-Holstein gedeihen. Allerdings müssen wohl manche ein- bis zweijährige Blumen jedes Jahr neu ausgesät werden, wie zum Beispiel Vergißmeinnicht ("forgetmenot"). Völlig unbekannt und nicht erhältlich scheint allerdings das bei uns ganz übliche Blaukissen zu sein (Aubrita).

Hier in der Prärie bin ich ja in der Heimat so vieler uns vertrauter Gartenpflanzen. Es ist erstaunlich, wieviele Arten von Sonnenblumen es gibt, wieviele Arten Kreuzkraut. Von hier stammt das duftige Schaumkraut ("foamflower"/ Tiarella cordifolia,), das im Schatten von Bäumen wächst und natürlich Echinacae, eine alte indianische Heilpflanze und bei uns sehr beliebt zu Vorbeugung gegen Erkältungen. 

19. März

Heute ist es so warm, daß wir mittags im Garten in der Sonne sitzen und Tee trinken können. Wir entdecken den ersten Schmetterling, der aus dem Winterschlaf erwacht ist, ziellos durch den Garten gaukelt und sich dann auf der verwitterten Tischdecke niederläßt: Ein Kleiner Fuchs, zumindest ist er ihm sehr ähnlich. Wir überlegen, wovon er sich ernähren mag. Nicht eine einzige Blume blüht jetzt in der Nähe.

Oben am rosa Giebel des Hauses wird ein kleines Loch im Holz von den Spatzen inspiziert. Ob sie darin brüten werden ? Wir sehen einen Vogel darin verschwinden. Nach einer Weile schießen zwei Spatzen lautstark aus dem Loch hervor und landen im kahlen Flieder. Wahrscheinlich beratschlagen sie ,ob das Loch als neues Heim geeignet ist. Und das Weibchen sagt: "Wir müssen uns beeilen. Die Eier drängen. " 

Kleine Spinnen ziehen zwischen den vertrockneten Stauden feine Fäden und ich habe in den Vogelbeerstrauch vor dem Schuppen kleine Kristalle gehängt, die jetzt bunte Funken sprühen. 

Gestern und heute morgen habe ich dafür gesorgt, daß sich das Chaos im Garten gelichtet hat. Dort wo kein Schnee mehr liegt, habe ich das vorjährige Laub vom Rasen unter die Büsche geharkt. Laubrechen ist eine der meditativsten Arbeiten, die ich kenne. Kein Wunder, daß in vielen Zengärten das Kiesharken eine wichtige Handlung ist. Es wurde so warm, daß ich im Hemd arbeiten konnte. Ich habe den hölzernen Wäscheständer umgestellt und aus einem Brett und Betonformsteinen zwischen Zaun und Gartenweg eine Bank gebaut. Beides ist nun eine Art Raumteiler. Man kann jetzt auf dem erwärmten Holz am Gartentisch sitzen und in die Sonne blinzeln.

Etwas Kummer bereitet mir noch der Anblick des großen Komposthaufens. Wenn es mein kleiner Garten wäre, dann würde ich den Haufen in die hinterste rechte Ecke des Gartens umsetzen , drumherum Pfähle in die Erde rammen, dazwischen Drähte spannen und Wilden Wein, Clematis und Wicken daran pflanzen. Aber im März besteht jedoch keine Möglichkeit, irgendwelche Pfähle oder Weidenstecklinge in die Erde zu bringen. Der Boden ist noch tief gefroren.

Und ich würde versuchen, Winterlinge, Krokusse, Narzissen, Wildtulpen, Schneeglanz und Scilla zu setzen. Für Schneeglöckchen sind hier sicher die Sommer zu trocken. Zu Hause bei mir wachsen sie am See in stauender Nässe und sind jetzt bestimmt am Verblühen.

In Garten meines Bruders muß es ein ziemlich energisches kleines Tier geben, daß seit drei Nächten versucht, ein Loch in den Rasen zu graben. Es kommt etwa drei bis fünf Zentimeter tief, dann muß es frustriert aufgeben, weil der Boden gefroren ist. Inzwischen sind eine Menge Löcher im Rasen. Man könnte es auch als kostenloses Vertikulieren ansehen. Am Ende hat es sich wohl unter eine Gewegplatte gegraben und haust jetzt dort.

Februar Groß Wittensee

5. Februar

Nun ist der Winter doch noch über uns hereingebrochen und hat endlich den ersehnten Schnee gebracht. Die Amseln vor dem Wohnzimmer versuchen die gefrorenen Äpfelchen von Lavalles Weißdorn in einem Stück zu verschlingen. Wenn man versuchte, einen tiefgefrorenen Pfirsich in einem Stück herunterzuschlucken, hätte das den gleichen Effekt: Man erstickt halbwegs und spuckt den Pfirsich frustriert wieder aus. Aber wer außer den Amseln kommt schon auf solche Ideen? Amseln sind da hartnäckig, sie versuchen es immer wieder. Hinterher ist der Schnee mit orangen Früchtchen garniert. Sehr hübsch.

Ich hole mir meinen alten Schlitten aus dem Schuppen, seine Kufen sind schon recht verrostet. Ich folge den Spuren eines Kaninchens, das kurz vorher die Straße entlang gehoppelt sein muß. Unten am See finde ich Marderspuren. Ein Iltis? Nun, so genau, vermag ich das nicht zu bestimmen. Eisregen setzt ein und verschleiert meine Brille. Aber ich rodel trotzdem ein paar Mal den Hügel auf Nachbars Koppel hinunter und juchze aus vollem Herzen. Meine einzigen Zuschauer sind ein paar Tauben, die in einer großen Eiche hocken.

7. Februar

Die weiße Pracht war nur von kurzer Dauer. Nach Schnee und Eisregen setzt unerbittlich das Tauwetter ein und alles versinkt in Matsch und Trübsinn. Morgens rolle ich mich noch einmal im Bett zusammen und wünsche mir fünfzig Zentimeter Neuschnee. Die Oskarkatze sitzt in der Küche frustriert vor der Terrassentür und wartet auf trockenere Tage. Was kann man da anderes tun, als Tee mit viel Johanniskraut trinken und hoffen, daß man davon ein etwas sonnigeres Gemüt bekommt.

17. Februar

Frühlingsspuren im Garten. Unaufhaltsam schieben sich die Blättchen der Narzissen aus dem Rasen. Ein paar schüchterne gelbe Krokusse strecken ihre Knospen ins Licht und die Schneeglöckchen warten auf ein paar Sonnenstrahlen, um ihre Blüten zu öffnen. Vor dem Wohnzimmer hat sich eine zierliche Zwergiris entfaltet und leuchtet überraschend blau. Unsere Zaubernuß ist noch klein – aber sie gibt sich alle Mühe und hält kleine dottergelbe ausgefranste Blüten dem grauen Tag entgegen. Aber nicht nur die Blumen hegen Frühlingsgefühle. Die Uhus der Region stecken schon mitten im Brutgeschäft, ebenso die Saatkrähen. Nächste Woche werde ich endlich mal wieder hinaus wandern und nachschauen, wo hier der Uhu seinen Horst hat und ob Familie Rabe schon für Nachwuchs sorgt. Die sind recht häuslich, bessern jedes Jahr ihren alten Horst in einer riesigen Buche von Neuem aus. Aber Familie Uhu muß immer umziehen und eine stabile Bleibe finden. Sie sind Nachmieter von den Bussarden oder Rabenkrähen und zählen nicht gerade zu den Häuslebauern. Am Ende einer Brutsaison ist der Horst dann meist so herunter-gewirtschaftet, daß er auseinanderfällt.

Aber zurück zu den Frühlingsgefühlen. Gestern sind unsere Stare angekommen und sind schon eifrig bei der Brautwerbung. Und wir müssen uns beeilen und endlich die Nistkästen auf den letzten Drücker reinigen – sonst stören wir die Meisen und Spatzen beim Brutgeschäft. Jetzt können auch die Stauden zurückgeschnitten werden, damit man die kleinen Bergprimeln, Hyazinthen und all die anderen Frühen überhaupt sieht.

28. Februar – morgens

Heute zum Frühstück durchblättere ich pflichtschuldigst das Architektenblatt des Vormonats, damit ich es endlich aussortieren kann, und entdecke eine Anzeige auf Hochglanzpapier.

Dachpfannen mit Lotoseffekt leuchten mir entgegen. Garantiert nässe- und dreckabweisend. Jedes Stäubchen perlt ab und landet schnell in der Regenrinne. Jetzt müssen Sie statt einmal im Jahr zweimal die Regenrinnen reinigen. Das lästige jährliche Dachschrubben entfällt. Irgendwie habe ich das Gefühl, die verwechseln das Dach mit dem Küchenfußboden. Das Dach muß glänzen und allen Nachbarn verkünden: ”Seht her, ich bin ein großer Protz! Ich kann mir glänzende Dachpfannen leisten!”

Warum darf ein Dach keine Patina annehmen? Keine hübschen Moosflecken, Spinnennetze, die die Meisen plündern, oder kreisrunde Flechten, die seltsame Muster auf die Dachpfannen malen? Wir wohnten auch mal in so einem Haus, wo alle paar Jahre das Dach gesäubert wurde. Das Ergebnis war, das die Leiter häßliche Spuren zwischen den Stauden hinterließ und die irrationale Angst des Städters (hier des Vermieters) vor Verwahrlosung besänftigt war. Wahrscheinlich mußte dieser Mensch in seinem Leben zu viele Abwasserrohre reinigen. Das prägt natürlich.

 

Januar

6. Januar

Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, daß dort, wo Maulwürfe seien, keine Wühlmäuse vorkämen? Das ist genauso falsch wie die Behauptung, Schlehe und Weißdorn könnten nicht in der selben Hecke wachsen. Der Gegenbeweis wächst bei uns fünfzig Meter entfernt im Knick. Und bei uns bohren sich jedenfalls Maulwurf und Wühlmäuse einträchtig nebeneinander durch den Untergrund. Der einzige Unterschied ist, daß die Wühlmäuse ihre oberflächennahen Tunnel das ganze Jahr über buddeln, solange der Boden nicht gefroren ist, und die Maulwürfe ihre Hauptaktivität im Spätherbst und Frühling entfalten. Und jetzt natürlich auch wieder, wo sich der Frost nach einem kurzen Intermezzo wieder verabschiedet hat. Ich finde es faszinierend, wieviel Erde so ein kleines Kerlchen bewegen kann. Denjenigen Gartenbesitzern, denen ihr Rasen heilig ist, ist das natürlich ein Dorn im Auge. Dabei sollte man dem kleinen grauen Kerlchen dankbar sein, denn sie lockern den Boden auf (verdichtet vom vielen Rasenmähen) und vertilgen allerlei schädliches Getier im Boden z.B. die viel gehaßte Maulwurfsgrille. Außerdem sollte man ihm dankbar sein für die kostenlosen Fitneßstunden, die er einem beschert, wenn man ganze Schubkarren mit Erde wegschaffen muß. Extra Krafttraining in einem häßlichen verschwitzen Raum brauche ich bestimmt nicht. Über die Wühlmäuse lege ich ein diskretes Schweigen. Ich hatte ja im Sommer beschlossen, mich nicht über sie zu ärgern.

11. Januar

Der See zerschlägt heute Glas am Strand. Es klingt, als wenn jemand in weiter Ferne durch eine Glasbläserei läuft und in rhythmischer Abfolge alle Flaschen zertrümmert. Heute nacht bei Windstille und Mondenschein hatte sich eine dünne Eisschicht weit in den See vorgeschoben. Und jetzt bei leichtem Wind zerdrücken die Wellen das Eis, schieben es ans Ufer und lassen es leise klirren und klimpern. Sonnenlicht blitzt auf den Wogen und rückt das gegenüberliegende Ufer in märchenhafte Ferne. Goldener Dunst liegt über den Hügeln. Nach einer Woche feuchter Kälte und Trübsinn hat der Frost wieder zugegriffen. Ich atme auf im Sonnenschein und komme mir vor wie ein aufgeplusteter Vogel.

21. Januar, Sonntag

Wieviele Schwanzmeisen haben auf einem Meisenknödel Platz?

Maximal fünf, optimal sind vier Vögel, wenn es kein Gedrängel geben soll. Diesem Schauspiel durften wir heute beim sonntäglichen Frühstück zuschauen. Sechs oder sieben dieser hektischen Kerlchen wechselten sich manierlich ab, ohne zu schubsen oder zu schimpfen. Die Spatzen sind da viel rüpelhafter. Ein einzelner Vogel beansprucht den ganzen Meisenknödel für sich.

G. fragte mich letztens, welchen Vorteil es habe, wenn Vögel im Winter in Gruppen umherzögen. Ein einzelnes Tier könne doch von einer Futterquelle mehr profitieren, als wenn sich alle auf ein paar Krumen stürzten. Im ersten Augenblick scheint das zu stimmen. Aber der Schwarm bietet viele Vorteile. Viele Augen sehen den Feind schneller. Und wenn ich heute meinen Freunden zeige, wo es etwas zu Fressen gibt, sind sie es, die sich am nächsten Tag revanchieren. Vielleicht findet sich in der Gruppe auch schon den Partner für den nächsten Frühling. So machen es auch die jungen Raben ohne Revier, die Saatkrähen, Dohlen und andere Singvögel. In der Kälte der Nacht kann man sich gegenseitig wärmen und so lebenswichtige Energie sparen. Bei den Zaunkönigen zum Beispiel kuscheln sich manchmal mehrere Vögel in einem Nest eng aneinander. Ich bin mir sicher, die Spatzen über dem Badezimmerfenster hocken auch dicht zusammen. Und wie nett ist es, wenn man morgens aufwacht, und kann sich gegenseitig die Träume erzählen.

 

 

Dipl.-Ing. Telse Katrin Polenski     telse(at)polenski.de - Tel: 04356 / 16 17